Amazon, Apple, Alibaba, Google und Facebook - die grossen «Big Techs» weltweit. Ihre Produkte nutzen wir alle: Sei es für den Einkauf, für Werbung, Marketing, Software oder Hardware, Datenanalyse oder als Soziale Medien. Zusätzlich bieten alle genannten Unternehmen seit einiger Zeit auch finanznahe Dienstleistungen an.
Zu den Bekannteren zählen die auf Kreditkarten basierten Zahlungsdienste Apple Pay, Google Pay, Facebook Pay und - im asiatischen Raum - Alipay. In der Schweiz ist allerdings Twint der Marktführer unter den P2C-Zahlungsdienstleistern. Laut einer Studie von Moneyland.ch verwenden 38% der Befragten in der Schweiz Twint, während 10% Apple Pay, 9% Google Pay und 7% Samsung Pay nutzen. Im Gegensatz zu den BigTech-Lösungen ist Twint nicht an das Betriebssystem eines Smartphones von Apple (Apple Pay) oder Android (Google Pay & Samsung Pay) gekoppelt. Im asiatischen Raum bietet zudem Alibaba über Tochterunternehmen wie die Ant Group neben Zahlungs- bereits auch Vermögensdienstleistungen an und vergibt online Konsum- und Kleinkredite.
Mit Google hat kürzlich das erste westliche BigTech-Unternehmen angekündigt, noch im Jahr 2021 mit «Google Plex» eine Front-End-Plattform zu lancieren, die Zugang zu verschiedenen Dienstleistungen von Partnerbanken inkl. Sparkonti gewährt – zunächst in den USA, wo auch bereits erste Partnerbanken grünes Licht für eine Zusammenarbeit mit Google gegeben haben sollen. Die Botschaft ist klar: Google Plex versteht sich (vorerst) nicht als Bank. Vielmehr soll dieses Front-End ein umfassendes Vergleichsportal für diverse Finanzdienstleistungen von Partnerbanken werden und einen «One-stop-Shop» für digitales Banking bieten. Ein Konzept, das sich in anderen Branchen bereits durchgesetzt hat: Wer eine Immobilie oder ein Auto kaufen möchte, kann sich auf entsprechenden Such- und Vergleichsportalen detailliert informieren, nach dem Wunschobjekt suchen und bei den grösseren Portalen auch direkt ein Finanzierungs- und Versicherungsangebot anfragen. Es ist also nicht abwegig, sich dieses Modell auch für Finanzdienstleistungen vorzustellen.
Was bedeutet diese Entwicklung für etablierte Banken?
Die Vorzüge einer Partnerschaft mit Google oder anderen BigTechs scheinen auf der Hand zu liegen: Grosses technisches Know-How, führende analytische Fähigkeiten, umfangreiche Infrastrukturen, bestehende Partnerschaften z.B. mit anderen Handelsteilnehmern und - im Fall von Google - mit dem Suchmaschinengeschäft eine enorme Reichweite. Gleichzeitig werden Partnerbanken aber ihre Go-to-Market Strategie in das Universum von Google und seine Applikationslandschaft pressen müssen und dadurch neben gestalterischen Freiheiten auch ein Stück Markenidentität einbüssen, sollte sich das Google-Modell wirklich am Markt durchsetzen.
Entwickelt sich also das Retail Banking aus Sicht der Banken von einem B2C- zu einem B2B-Geschäft? Im klassischen Sinne wäre Google Plex ein herkömmliches Outsourcing, bspw. des Onboardings und diverser Front-End Systeme wie eBanking bzw. Mobile Banking, welche von Google betrieben würden - für Banken ein bekanntes Setup. Der Eintritt von Google in diesen Markt scheint allerdings - basierend auf den bisher bekannten Informationen zu Google Plex - ein Konkurrenzprodukt zu den sich in den letzten Jahren im Markt etablierten Neobanken darzustellen, welche ebenfalls ein modernes Front-End- und Onboarding-Erlebnis für Kunden bieten, während Kontoführung und Verwaltung oft durch eine Partnerbank übernommen werden.
Eine Schweizer Lösung
Zusammenfassend bleibt die Erkenntnis, dass BigTech nun den seit einiger Zeit erwarteten, grossen Schritt in die Finanzbranche wagen. Dabei scheint Google allerdings nicht auf Konfrontationskurs mit etablierten Banken zu gehen, sondern plant – ganz im Stil eines FinTechs – eine Kooperationsoffensive, um eine Art neuen Marktplatz für Finanzdienstleistungen mit möglichst vielen Angeboten verschiedener Banken zu schaffen.
Bis Google Plex in der Schweiz angeboten wird, dürfte allerdings noch einige Zeit vergehen. Nach einem Pilotprojekt in den USA werden sicherlich auch die hiesigen regulatorischen Anforderungen noch die ein oder andere Anpassung der Lösung erfordern. Oder ergibt sich, ähnlich wie bei Twint, sogar die Chance einer Schweizer Lösung?